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Vereins-Chronik

100 Jahre Turnverein Obertürkheim

Wie im Leben eines Menschen, ist es auch im Verlauf der Entwicklung einer Gemeinschaft, eines Vereins üblich, an einem bedeutenden Markstein seines Werdegangs nicht nur Ausschau, sondern auch Rückschau zu halten und all die mannigfaltigen Ereignisse an unserem geistigen Auge vorbeiziehen zu lassen. Die Vergangenheit soll mit Lehrmeister für die Zukunft sein.
In diesem Sinne laden wir Sie, den Leser, ein, die Entwicklung des TVO in den vergangenen 100 Jahren mit zu betrachten.
Durch die ständig fortschreitende Ausbreitung der Industrie, etwa ab Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, war dem Stand der Weingärtner und Handwerker eine rasch steigende Industriebe­völkerung zugewachsen. Die Nachfrage nach Bildung und Betätigung außerhalb der Arbeitswelt stieg ebenfalls an. Die Leibesübungen waren als Ausgleich vorzüglich geeignet, wurden aber anfangs nur in den größeren Orten betrieben. Es war im Jahr 1897, als eine Anzahl tatkräftiger, turnfreudiger Männer den Entschluß faßten, auch in Obertürkheim einen Turnverein ins Leben zu rufen.
Der Aufruf zur Gründung war ein voller Erfolg, der 17. Juli 1897 wurde der Geburtstag des TVO. Unter den Vereinsgründern war auch der spätere Großindustrielle Robert Bosch. Als erster Vorstand fungierte Gottlieb Kicherer. Bereits im April 1898 trat der junge Verein dem mittleren Neckar-Städtegau bei. Geturnt wurde damals während der Sommermonate in der Gemeindekelter, im Winter im Saal der alten Mühle. Dieser erste Turnbetrieb ließ natürlich viel zu wünschen übrig und so wurde bald ein Turnhallenbau- und Fahnenfonds gegründet. Besondere Unterstützung dieser Vorhaben erfuhr der TVO durch sein 1. Ehrenmitglied, Fabrikant Paul Kuhn. Im Juli 1900 fand das Fest der Fahnenweihe statt und im August 1902 wurde die erste Turnhalle eingeweiht. Sie wurde von der Gemeinde erstellt und befand sich am Ende der heutigen Bergstaffelstraße, hinter der Fa. Hetzel.
Der nun in der neuen Halle geordnet ablaufende Turnbetrieb zeigte bald schöne Erfolge. Neben den sportlichen Aktivitäten wurde auch die kulturelle Seite nicht vernachlässigt, 1904 eröffnete man eine vereinseigene Bücherei und nahm im Jahr darauf an den Feierlichkeiten zum Andenken an den 100. Todestag von Friedrich Schiller teil.
Zur Belebung des Vereins und Bereicherung der Vereinsfestlichkeiten wurde im März 1907 eine Sängerriege gegründet.
Beim 10jährigen Vereinsjubiläum fand eine größere Feier sowie ein Festzug mit 20 Vereinen statt. Der TVO hatte damals bereits 180 Mitglieder und war zu einem wichtigen Faktor in der Gemeinde Obertürkheim geworden.
Von großer Bedeutung für den Verein war der Erwerb des ca. 60 Ar großen Vereinsgeländes im Herbst 1912. In luftiger, aussichtsreicher Höhenlage entstand bald ein schöner Turn- und Spielplatz, der auch den Familienmitgliedern, besonders den Kindern, eine Erholungs- und Spielstätte sein sollte.
Im Jahre 1914 wurde die im Gewann Dinkelacker neu entstandene Turn- und Festhalle mit dem Gauturnfest des mittleren Neckar-Städtegaus eingeweiht. Der kurz danach ausbrechende 1. Weltkrieg lähmte alle weiteren Aktivitäten, eine große Anzahl der männlichen Vereinsmitglieder wurden eingezogen, 40 kehrten nicht zurück.
Erst im Juli 1921 tritt der TVO wieder in Erscheinung, der 1. schwäbische Turnerinnentag wird ausgerichtet und ein Gedenkstein zu Ehren der gefallenen TVO-Mitglieder auf dem Vereinsgelände geschaffen. Das 25jährige Jubiläum wurde im September 1922 in der Turn- und Festhalle gefeiert.
Vermerkt sei hier auch der Beschluß auf einer Ausschußsitzung in der Inflationszeit, September 1923: Bis auf weiteres wurden die Vereinsbeiträge monatlich eingezogen. Ein Mitglied hatte damals einen Monatsbeitrag von 50.000 Mark zu bezahlen, Schüler 10.000 Mark. Die Sängerriege feierte 1932 ihr 25jähriges Bestehen mit einem Jubiläumskonzert.
Am Pfingstmontag 1933 wurde das Turnerheim auf dem Spielplatz bei Rüdem eingeweiht, ein neuer Vereinsmittelpunkt war entstanden.
Doch bald darauf trübten dunkle Wolken den bisher blauen Vereinshimmel. Die Machthaber des 3. Reiches dehnten ihren unseligen Einfluß auch auf die Vereine aus und ordneten eine Änderung in der Besetzung der Verwaltungsstellen an. Ein Vorstand wurde 1937 kommissarisch bestellt. Der 2. Weltkrieg rief fast alle jüngeren Männer des TVO, später auch die älteren zu den Waffen. Nach dem Zusammenbruch eine schreckliche Bilanz. 30 Gefallene - nahezu die gesamte 1. Handballmannschaft - 3 Vermißte. Im Mai 1945 wurde durch unbekannte Täter das Vereinsheim mutwillig in Brand gesteckt. Die damalige Ausgangssperre, verhängt von der Besatzungsmacht, verhinderte jede Hilfe. Das unter großen Opfern erbaute Heim brannte bis auf die Grundmauern nieder. Die Zukunftsperspektiven erreichten den Nullpunkt, als die Militärregierung jede sportliche Betätigung strikt untersagte. Später wurden in Obertürkheim, wie in allen anderen Orten, sämtliche Ortsvereine in einer Volks-Kultur- und Sportgemeinschaft zusammengefaßt. Jede Versammlung war von der Zustimmung der Militärregierung abhängig.
Erst zwei Jahre später lockerten sich die strengen Zügel, die Vereine erhielten ihre frühere Selbständigkeit zurück. Am 11. November 1947 wurde im Gasthaus zur Post der TVO wieder seiner früheren Bestimmung zugeführt. Bis auf wenige Ausnahmen erneuerten die alten TVO-ler ihre Mitgliedschaft. Zum Vorstand wurde Erich Dasing gewählt.
Anfang der 50er Jahre stand der Wiederaufbau des Vereinsheims im Vordergrund. Turnfreund Max Haußmann machte den Entwurf und übernahm die Bauleitung. Bereits am 10.6.1951 fand die Einweihung statt.
Am 3.10.1954 feierte die Frauen- und Männerriege ihr 50jähriges Bestehen. Nachdem 1955 die durch Fliegerschäden im zweiten Weltkrieg zerstörte Turnhalle wiedererstanden war, konnte endlich wieder ein geregelter Übungsbetrieb aufgenommen werden.
Nach all den Jahren der Entbehrung und des Wiederaufbaus war es den Mitgliedern des TVO eine Freude, das 60jährige Jubiläum zu feiern. Der Festakt, verbunden mit der Weihe einer neuen Vereinsfahne, fand am 6.10.1957 in der Turn- und Versammlungshalle Obertürkheim statt. Bei der darauffolgenden Jahreshauptversammlung im Januar 1958 übergab die bisherige Vereinsführung die Verantwortung für den TVO einer relativ jungen Mannschaft. Vorstand Berner und seine Mannen hegten bald Pläne, das Spielfeld beim Vereinsheim umzugestalten, einen Kinderspielplatz zu bauen und die vorhandenen Umkleideräume zu sanieren. Diese zukunftsweisenden Aufgaben wurden durch Querelen mit den ständig wechselnden Pächtern der Vereinsgaststätte gestört und verzögert. Im Jahre 1959 war es endlich geschafft, das neue Spielfeld konnte eingeweiht werden. Durch Wiedereinführung des Gruppensystems kehrte auch in der Vereinsgaststätte wieder Ruhe ein, was vor allem Familie Quadflieg zu verdanken war.
Als turnerische Höhepunkte sollen die Deutschen Turnfeste 1958 in München und 1963 in Essen nicht vergessen werden.
Am 24.11.1963 fand die Einweihung des neuen Gedenksteins auf dem Vereinsgelände statt. Stilles Gedenken an die Toten, vor allem an die über 70 gefallenen Kameraden der beiden Weltkriege, bei der Feierstunde. Im Juli 1964 verstarb Eugen Holz, das letzte Gründungsmitglied des TVO, er hielt dem Verein 67 Jahre die Treue. 1965 konnten Ehren-Oberturnwart Albert Dautel und Altvorstand Ludwig Noller ihre 85. Geburtstage feiern und auf ein erfülltes Turnerleben zurückblicken. Im Juni 1966 wurde das 13 Ar große Nachbargrundstück erworben. 1967, der TVO besteht nunmehr seit 70 Jahren, Beteiligung am Schwäbischen Landesturnfest in Ebingen und am Bundesalterstreffen in Stuttgart.
Das Jahr 1968 bringt neue Probleme mit dem Vereinsheim, eine große Stützmauer ist zu sanieren, eine Kläranlage zu bauen. Erste Gedanken, das Vereinsheim zu erweitern. Ein Bauausschuß wird gebildet, Pläne geschmiedet und wieder verworfen. Ein für alle Teilnehmer unvergeßliches Erlebnis ist das Deutsche Turnfest in Berlin im Juni 1968. Der TVO hat den Tod seiner beiden Altvorderen Ludwig Noller (18.2.1968) und Albert Dautel (2.3.1970) zu beklagen.
Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 15.5.1970 wird von den TVO-Mitgliedern beschlossen, einer Fusionsempfehlung der Stadt Stuttgart nicht zu folgen und eigenständig zu bleiben. Die Aktivitäten des TVO sollen auf dem bisherigen Vereinsgelände fortgeführt werden. Gleichzeitig wird dem Ausbau und der Renovierung des Turnerheims zugestimmt. Es begannen langwierige Verhandlungen um die Baugenehmigung sowie um die Zustimmung der Nachbarn, eine Abwasserleitung über ihre Grundstücke führen zu dürfen. Mit dem Bau wurde bereits im Sommer 1971 begonnen. Der neugewählte 1. Vorsitzende Rolf Schöpfer und seine Freunde ergänzten sich mit den italienischen Universalhandwerkern bestens. Neben Küchenneubau und Ölzentralheizungseinbau wurde auch der Gastraum vollständig renoviert. Erstmals war es möglich, die Vereinsgaststätte an einen hauptberuflich tätigen Wirt zu verpachten, dies geschah bereits zum 1.4.1972.
Die Abwasserleitung dagegen konnte erst sehr viel später in Betrieb genommen werden. Die Investitionen ins TVO-Vereinsheim zeigten bald auch auf dem sportlichen Sektor Wirkung. Im Jahr 1973, in dem auch das Deutsche Turnfest in Stuttgart stattfand, wurde durch Heinz Paule die TT-Abteilung gegründet. In der Jugendarbeit entwickelte Rolf Hiller systematisch neue Initiativen, was im November 1977 zur Bildung eines Jugendausschusses mit Jürgen Silberberger als Jugendvertreter führte.
Bei der Hauptversammlung, Anfang 1978, wird einer neuen Satzung zugestimmt und die Vereinsleitung ermächtigt, das vereinseigene Gelände an die Stadt Stuttgart zu verkaufen. Weitere Planungen betr. Bau eines Kleinspielfelds durch die Stadt Stuttgart und Erweiterung des Vereinsheims um einen Jugendraum sowie Dusch- und Umkleideräume laufen an.
Am 26.8.1978 findet erstmals der Plätzles-Cup, das Handballturnier der Obertürkheimer Vereine statt. Initiatoren: Rolf Hiller und Wolfgang Steckel. Die Erfolge in der Jugendarbeit halten an, 1979 wird eine Mini-Handballmannschaft gebildet. Die Folge: Mangel an Übungsstätten und erstes Wunschdenken an eine Einfachsporthalle in Obertürkheim.
Ende 1979 geht das Vereinsgelände in den Besitz der Stadt Stuttgart über, das Kleinspielfeld ist fertiggestellt. Unter Planung und Bauleitung von R. Mars wurde mit dem Bau der Dusch- und Umkleideräume und des Jugendraums begonnen. Die umfangreichen Arbeiten dauern mehr als zwei Jahre, da aus Kostengründen viele Gewerke in Eigenleistung durchgeführt werden mußten.
Die Freude am weiter verbesserten Mittelpunkt des Vereins währte nicht allzu lange. Was niemand für möglich hielt wurde bittere Wahrheit, nämlich die Sperrung der Tirolerstraße zwischen Uhlbach und Rüdem ab April 1984. Den Mitgliedern des TVO wurden durch behördliche Maßnahmen und Gerichtsbeschluß untersagt, mit den Fahrzeugen ihr Vereinsgelände auf der Rüderner Höhe auf gleichem Weg anzufahren. Auch die Freunde im Stuttgarter Rathaus waren machtlos dagegen. Die Auswirkungen auf das Vereinsleben zeigten sich erst mit der Zeit, die Vereinsanlage verlor zusehends ihre Funktion als Mittelpunkt für Sportler und passive Mitglieder, der Wirt verlor viele Stammgäste. Daß trotz dieser Erschwernisse im TVO zu keiner Zeit resigniert wurde, zeigt von einem intakten und geordneten Vereinsleben unter der Leitung der sich hervorragend ergänzenden Turnfreunden Eugen Eberhardt, Rolf Schöpfer und Rolf Hagenlocher.
Die Vereinsgeschichte wäre nicht vollkommen, wenn nicht der Mitglieder gedacht würde, die einen erheblichen Teil ihrer Freizeit in den Dienst des TVO gestellt haben. Es würde zu weit führen, sie alle namentlich zu nennen. Ihnen allen soll am 100. Geburtstag unseres TVO ein ganz herzliches Dankeschön ausgesprochen werden. Wenn nun über ein Jahrhundert Rückblick gehalten wurde, so sehen wir darin das Spiegelbild eines Vereins, der auf seine Tradition stolz ist und dessen selbstverständliches Streben es ist, die körperliche Gesundheit der Allgemeinheit, insbesondere der Jugend, durch sportliche Betätigung zu pflegen, frei von parteipolitischen und konfessionellen Zwängen.

Chronik von Obertürkheim

An der östlichen Grenze des Stadtgebiets Stuttgarts, unmittelbar vor den Toren der ehemaligen freien Reichsstadt Esslingen, liegt Obertürkheim am rechten Ufer des Neckars. Eng angeschmiegt an die mit Reben bewachsenen Berghänge und hineingezwängt ins Uhlbachtal.
Schon von weitem grüßen vom Kirchberg die Petruskirche und vom Ailenberg das sagenumwobene Melactürmchen. Trotz Kriegszerstörungen, Wiederaufbau und Neubauten, Industrieansiedlungen und Neckarhafen ist der alte Kein des früheren Dorfes noch gut zu erkennen.
Geschichtlicher Werdegang
Über den genauen Zeitpunkt der Ortsgründung liegen keinerlei urkundliche Angaben vor. Von manchen wird Türkheim als eine frühestens im 6. Jahrhundert entstandene Siedlung unterworfener Thürhinger betrachtet. Es ist aber wahrscheinlich viel älter und gehört zu den Orten in Württemberg, deren Namen am frühesten bezeugt sind. Schon zwischen 450 und 496 ist auf einer gotischen Landkarte ein alamanischer Ort und Hochadelsitz "Turigoberga" eingezeichnet gewesen, wir dürfen annehmen, daß damit die Ursiedlung von Ober- und Untertürkheim gemeint war. Die Siedlung selbst und ihr Name ist aber vermutlich noch ziemlich älter als die erste Bezeugung des Namens. Aus der Bildung des Ortsnamens können wir schließen, daß Türkheim bald nach der Landnahme seit dem Jahr 260, also rund um 300, entstanden ist. Die Ansichten gehen nur darüber auseinander, ob Obertürkheim ein späterer Ableger von Untertürkheim ist, oder ob die Sippe der nach ihrem Sippenhaupt Duro oder During genannten Duringer wegen ihrer Größe von Anfang an zwei Markungen erhielt. Das älteste alamannische Grab (aus der Zeit um 500) im ganzen Stuttgarter Gebiet wurde auf dem Ailenberg bei Obertürkheim gefunden. Es war wie das stark 100 Jahre jüngere Grab am Mönchsberg in Untertürkheim die Ruhestätte eines Adeligen. Hervorragende Forscher halten es für wahrscheinlich, daß die Vorfahren der Herren von Württemberg von etwa 600 bis zur Gründung der Burg Württemberg (1083) im Mönchhof in Untertürkheim ihren Sitz gehabt und vielleicht vorher um 500 und früher am Ailenberg bei Obertürkheim gelebt haben. So wäre denn Obertürkheim die Keimzelle des Landes Württemberg, und die Württemberger wären eigentlich Duringer oder Türkheimer.
In datierter Urkunde wird Obertürkheim das erstemal um das Jahr 1251 genannt, und zwar unter dem Namen "Durinkain", im Jahre 1279 als das "superior Turinkain", im Jahre 1280 als "Ober durnkain".
Die Esslinger Geschlechterfamilie von Türkheim wird in Urkunden von 1248 bis 1311 genannt und ist wohl, da die Markung der Reichsstadt Esslingen bis nach Obertürkheim hereingriff, diesem zuzuweisen; der Hauptteil des ältesten Türkheimer Besitzes der Klöster Zwiefalten und Hirsau aber dem weinberühmten Untertürkheim, wo diese Klöster auch später viel Eigentum hatten.
Kirchlich gehörte Obertürkheim, das schon 1285 eine Wallfahrtskirche zum heiligen Petrus gehabt haben soll, zur Cannstatter Pfarrei, mit der das Patronat 1289 an das Domkapitel Konstanz kam. Schon früher muß die Kirche mit pfarrlichen Rechten und einem Pfarrgeistlichen versehen worden sein, denn schon 1386 heißt es, daß die Gemeinde Uhlbach nach Obertürkheim pfärrig sei, die bis 1490 und 1548 von letzteren Filial war. (Erst kurz vor dem 1. Weltkrieg wurde der Kirchgangweg aufgehoben, für den Uhlbach an Obertürkheim jährlich Steuer entrichten mußte.) Bis zum Jahre 1500 war aber der Teil von Obertürkheim und Uhlbach, der auf Esslinger Gemarkung lag, nach Esslingen eingepfarrt. Der durch Vermittlung von Herzog Ulrich von Württemberg geschlossene Vertrag zwischen den Domkapiteln Konstanz und Speyer enthielt aber dann die Abmachung, daß die Untertanen zu Obertürkheim und Uhlbach, die jenseits des Baches wohnten, ihr Seelenheil nicht mehr in Esslingen, sondern bei den Ortspfarreien suchen sollten. Dem Pfarrer in Esslingen müßten dafür ein Eimer Wein und die Pfarramtsgebühren geschickt, auch die Zehnten wie vorher zuteil werden; das Domkapitel Speyer (Patronatsherr von Esslingen) sollte dagegen von seinen Zehnten geben ein Eimer vier Imi (später heißt es zwei Eimer vier Imi) Wein, wovon der Pfarrer zu Uhlbach 2/3, der zu Obertürkheim 1/3 erhielt.
Die Petruskirche wurde um 1484 in gotischen Stil umgebaut. Seit 1549 ist sie evangelisch und anno 1778 im Barockstil erneuert.
Im 13. Jahrhundert soll zwischen Ober- und Untertürkheim die Burg der Herren von Hohenberg gewesen sein, eines Geschlechtes, das in Urkunden des 13. Jahrhunderts erstmals erwähnt wird und im Jahre 1291 den Herren von Berg die Burg zerstört haben soll. Deren Zerstörung wird allerdings König Rudolph I. zugeschrieben.
Die frühe Bedeutung Obertürkheims bezeugt eine Urkunde von 1280, wonach Graf Eberhard dem Erlauchten von Württemberg den Verkauf eines Weinberges in Stuttgart an das Kloster Salem "bei Oberdurnkain" festlegt. Beide Türkheim gehörten zu dem frühesten Besitz der Grafschaft Wirtenberg. 1311 zerstörten die Esslinger und Gmünder die Burg "Wirtenberg" und verwüsteten die ganze Umgebung greulich; 1449 wurden in den Kämpfen zwischen den Wirtenbergern und den Esslingern halb Obertürkheim und Uhlbach eingeäschert (26. August), im Spätherbst des gleichen Jahres die ganze Gegend fürchterlich verheert, ebenso in den ersten Monaten des folgenden Jahres. Auch die Kämpfe des Herzogs Ulrich mit dem Schwäbischen Bund brachten den Türkheimern schwere Lasten, lagen doch die Bundestruppen im April 1519 ganze 8 Tage im sogenannten "Weinlager" zwischen den beiden Türkheim und verübten ihre Heldentaten durch Erpressen und Vertilgen riesiger Quantitäten von Wein. Im August desselben Jahres gingen wiederum Obertürkheim und Uhlbach in Flammen auf, die Weinberge wurden herausgehauen und verwüstet. Es ist begreiflich, daß in dieser schönen und fruchtbaren Gegend - "das beste Mark des Landes" nennt sie um 1138 der Zwiefalter Mönch Berthold - sich auch andere Klöster Weinberge und andere Güter und Einkünfte zuwenden ließen. So hatten Besitz in Obertürkheim: Kloster Anhausen an der Brenz (1517), Bebenhausen (1279), Blaubeuren (1407), Denkendorf (1491), Spital Esslingen (1267 bis 1287), Kloster Kaisheim (1318, 1423, 1534), Domstift Konstanz, Kloster Pfullingen (1500), Stift Stuttgart, Kloster Weil bei Esslingen (1288, 1397).
Von weltlichen Herren finden wir als württembergische Lehensträger, und wohl auch zeitweise mit Eigenbesitz: Rechberg (1272), Bernhausen, Beutelsbach (1281), Echterdingen (1281), Kaltental (1288), Hohenheim, Westerstetten, nebst mehreren Bürgerlichen.
Das Kloster Zwiefalten veräußerte seinen Besitz in Ober- und Untertürkheim, Uhlbach, Rotenberg und Fellbach 1616 an Württemberg für 13500 Gulden; Rechbergsche Zehnteile und Gefälle kamen 1811 durch Tausch an den Staat. Der große Zehnten und der Weinzehnten war bis zur Ablösung 1849 an den Staat zu entrichten, der kleine Obst- und Heuzehnten, mit geringer Ausnahme, an die Pfarrei. Über Gefälle hatten größtenteils der Staat und die Stiftungsverwaltung Esslingen zu verfügen. Die Teilgebühren von den Weinbergen wurden schon früher aufgehoben. Aber noch mußte der Ort vier Eimer Beed- oder Burgwein entrichten und jedes Haus eine Rauchhenne abgeben.
Von den vielen Gütern der Obertürkheimer, die auf Esslinger Markung lagen, stand Württemberg, laut einem Vertrag von 1590, das Besteuerungsrecht zu, der Reichsstadt dagegen Frevel und Strafen. Doch versuchten die Esslinger, als Herzog Ulrich nicht mehr seines Landes mächtig war, bei der österreichischen Regierung durchzusetzen, daß ihnen Obertürkheim und Uhlbach käuflich überlassen werde, "dieweil beider Flecken Güter wohl halb denen von Esslingen seien".
Im schmalkaldischen Krieg lag spanische Einquartierung in unserer Gegend, und daß der dreißigjährige Krieg nicht spurlos an Obertürkheim vorüberging, sondern dieses, wie die Bezirksorte, schwer in Mitleidenschaft zog, ist ohne weiteres klar; rechnete man doch in Stadt und Amt Cannstatt ohne die Quartierkosten vom Oktober 1638 bis zum Friedensschluß allein 350 000 Gulden an Kriegskontribution. Die Bevölkerungsziffer sank rapid.  Die Verödung des Landes war schauerlich.
Kaum hatten die Wunden, die der schreckliche Krieg den Orten geschlagen, zu vernarben begonnen, so wurde die Gegend durch die Einfälle der Franzosen in grauenhafter Weise verwüstet. Der dabei entstandene Schaden im Bezirk wird wiederum auf 386 000 Gulden geschätzt. Viele Bürgersöhne aus Türkheim und Uhlbach wurden mitgeschleppt und mußten in Frankreich Soldatendienst tun. Sie sahen ihre Heimat nie wieder.
An jene schwere Zeit erinnert, allerdings nur dem Namen nach, der auf der Höhe des "Oelenbergs" stehende hübsche, alte Turm, im Volksmund "Melacsturm" genannt, der ebenfalls wie ein Wahrzeichen Obertürkheims weit ins Land hinausschaut. Er hat aber mit dem grimmigen Mordbrenner Melac weiter gar nichts zu tun. Dieser ist auch nicht, wie die Sage wissen will, dort begraben. Der Turm ist vielmehr ein aus dem 16. Jahrhundert (1574) stammendes Lusthäuschen oder ein "Luginsland".
Aber wenn in ihm nach der Sage der Weinberggeist, der Schlurker (auch Schlurger) seinen Sitz haben soll, so wollen wir nur hoffen, daß besagter Schlurker heuer als guter Geist in der Johannisnacht segnend durch die Weinberge gehe, auf daß wieder einmal ein reich und gut Weinjahr sowohl die in harter, fleißiger Arbeit sich jahraus, jahrein schwer mühenden Wengerter als auch alle andern Freunde eines guten, ehrlichen Tropfens erfreue. Denn gut ist der Wein, der an den sanften, gerundeten Hängen der Obertürkheimer Berge wächst, ja, man darf wohl rühmen, daß er zu den besten Weinen unseres Schwabenlandes zählt.
 Aufschwung durch Eisenbahnverbindung
 Über die Einwohnerzahlen liegen bis zum 18. Jahrhundert keine genauen Unterlagen vor. Das Dorf war besiedelt von Weingärtnern, Taglöhnern und wenigen Handwerkern. Im Jahre 1834 zählte Obertürkheim mit Brühl 754 Einwohner, 1871 etwa 1380 Einwohner, vor der Jahrhundertwende rund 1900, 1933 dagegen schon 4962 (ohne Brühl) und heute rund 6000.
Diese Entwicklung des ehemaligen kleinen Dorfes hat ihren Grund darin, daß die Erbauung der Eisenbahn, an die Obertürkheim schon am 7. November 1845 mit einem Bahnhöfle angeschlossen wurde, der aufwärtsstrebenden Kleinindustrie die Möglichkeit der Entfaltung gab.
Das Aufblühen der Industrie in Obertürkheim war nur möglich, weil eine fortschrittliche Gemeindeverwaltung die Voraussetzung für eine dementsprechende Gesamtentwicklung schuf. Die Industrie wurde entlang der Bahnlinie mit Gleisanschlüssen angesetzt und erhielt gleichzeitig Zugang von der heutigen Augsburger Straße her. Das eigentliche Obertürkheim wurde hierbei nicht angetastet.  Das notwendige Wohngebiet wurde in Richtung Untertürkheim und Uhlbach erschlossen.
Als im Jahre 1921 das Oberamt Cannstatt aufgelöst werden sollte, entschied sich der Gemeinderat sowie die große Mehrheit der Bürger für die Eingemeindung nach Stuttgart, die am 1. April 1922 vollzogen wurde. Nach Überwindung der Inflationsjahre ging das Leben in Obertürkheim aufwärts, bis der Zweite Weltkrieg dieser Entwicklung ein jähes Ende setzte.
 Große Kriegszerstörungen und Wiederaufbau
 Unvergeßlich in der Obertürkheimer Geschichte wird der 2. und 3. März 1944 bleiben. In jener Nacht fielen eine große Zahl privater und städtischer Gebäude einem Luftangriff zum Opfer. Das Rathaus (erbaut 1914/15) brannte aus, die kath. Franziskuskirche (erbaut 1927) war total zerstört. Das ev. Gemeindehaus (erbaut 1927) und die Turn- und Festhalle (erbaut 1913/14) waren stark beschädigt, letztere wurde 1954 bis auf die Fundamente abgerissen, um einer neuen Turnhalle Platz zu machen. Die neue Turn- und Versammlungshalle wurde am 1.10.1955 in einem großen Festakt von der Stadt, den Bürgern und den Vereinen eingeweiht.
Auch die 1914/18 von der alten Gemeinde Obertürkheim erbaute Neckarbrücke (anstelle der 1812/14 erbauten eisernen Trägerbrücke) von Prof. Bonatz fiel im letzten Moment der Kriegswirren, am 21. April 1945, einem wahnsinnigen Befehl zum Opfer. Obertürkheim war somit von der Stadt Stuttgart abgeschnitten. Durch den Bau eines Behelfssteges war jedoch bald wieder der Übergang möglich, und schon am 31. Juli 1946 fuhren die ersten Fahrzeuge wieder über die nach Plänen von Prof. Maier-Leipnitz als Holzkonstruktion ausgeführte Brücke.
Im Sommer 1956 wurde die neuerbaute Obertürkheimer Neckarbrücke, als letzte aller zerstörten Stuttgarter Brücken, dem Verkehr übergeben.
Anstelle der zerstörten Franziskuskirche (früher Ecke Bergstaffelstraße und Imweg) erbaute die katholische Kirchengemeinde unter schweren Opfern Ecke Ebnisee- und Mirabellenstraße eine sehr schöne massive Kirche nach dem Entwurf von Prof. Lindner.
Durch Wagemut, Fleiß und Aufbauwillen entstanden auch die im Kriege zerstörten privaten Häuser neu aus Schutt und Asche, die beschädigten wurden wieder instandgesetzt.
Auch die Industrieunternehmen, die Gewerbe- und Handelsbetriebe gingen in der zweiten Hälfte der 50er Jahre, unterstützt durch die ungebrochene Schaffenskraft ihrer fleißigen Mitarbeiter, einer neuen Blüte entgegen.
 Fortschritt und Opfer
 1958 wurde der Stuttgarter Neckarhafen in Betrieb genommen. Er fand nicht ungeteilten Beifall, mußte sich doch die landwirtschaftliche Nutzfläche von Obertürkheim gewaltige Abstriche gefallen lassen, wertvolles Land ging für den Hafen und später für den Weiterbau des Kanals in Richtung Plochingen verloren. Die ständig zunehmende Motorisierung des Straßenverkehrs forderte den Bau von Straßen und Parkplätzen, die expandierenden lndustrieunternehmen forderten Ausdehnungsmöglichkeiten.
Obertürkheim wurde vom Moloch Verkehr mehr und mehr eingeschnürt und seiner Ausdehnungs­möglichkeiten beraubt.
Langsam, aber unaufhaltsam setzte auch bei uns ein allgemeiner Bevölkerungsrückgang ein. Der Ort ist nicht mehr attraktiv, die Menschen fühlen sich durch den ständig wachsenden Verkehr empfindlich gestört, Neubauflächen fehlen. Die Alten bleiben am Ort, der Ausländeranteil steigt.
Durch strukturelle Veränderungen in ihren Branchen sind zahlreiche Unternehmungen verschwunden oder weggezogen. Der früher wichtige Faktor, Anschluß an die Eisenbahn, zählt heute nicht mehr.
 Neue Chancen und Hoffnungen
 Das Rad läßt sich nicht zurückdrehen, so schmerzlich diese Erkenntnis auch ist. Mit erheblichen Mitteln wird derzeit versucht, die Sünden der Vergangenheit zu bereinigen. Ein neues Umweltbewußtsein ist erwacht, die Menschen sind allgemein sensibler geworden. Durch die Sanierung alter, verbrauchter Bausubstanz wird neuer Lebensraum geschaffen, der Verkehr soll durch eine Ortsumfahrung beruhigt werden.
Über 2000 Jahre geschichtliche Entwicklung unseres Heimatortes sind überschaubar. Was die Zukunft bringen wird, weiß niemand. Wir können nur hoffen und wünschen, daß es uns und unseren Nachkommen vergönnt sein möge, auch weiterhin in Frieden und Freiheit unsere heimische Wirtschaft leistungsfähig zu erhalten zum Wohle aller und zum Glück für Heimat und Vaterland.